Fleischfresser oder Allesfresser

Sind Hunde Fleischfresser oder Allesfresser?

Vielleicht hast du dich schon gefragt: Sind Hunde Fleischfresser oder Allesfresser? Diese Frage sorgt oft für Diskussionen. Auf den ersten Blick mag es logisch erscheinen, dass Hunde Fleischfresser sind: Schließlich gehören Hunde zur zoologischen Ordnung der Carnivora – den Raubtieren. Doch wie bei vielen Dingen im Tierreich ist die Realität oft komplexer, als es auf den ersten Blick wirkt. In diesem Beitrag möchte ich Dir auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und spannender Studien einen tieferen Einblick in das Thema geben – und Dir zeigen, warum Hunde weder als reine Fleischfresser noch als klassische Allesfresser (Omnivoren) eingestuft werden können.

Sind Hunde Fleischfresser oder Allesfresser? – Die zoologische Einordnung

Was bedeutet Carnivora?

Die zoologische Ordnung Carnivora umfasst eine Vielzahl von Tieren, die überwiegend Raubtiere sind – von Löwen und Tigern bis hin zu Waschbären und Füchsen. Hunde sind als Vertreter der Familie Canidae ein fester Bestandteil dieser Gruppe. Doch hier kommt der entscheidende Punkt:
Die Einordnung in Carnivora erfolgt anhand von morphologischen und anatomischen Merkmalen, wie dem Gebiss und dem Verdauungstrakt, und nicht primär aufgrund der Ernährungsweise.

Carnivore oder Omnivore?

Der Begriff „Carnivore“ (Fleischfresser) wird verwendet, um Tiere zu beschreiben, die sich ausschließlich oder überwiegend von Fleisch ernähren. Dabei unterscheidet man zwischen obligatorischen Carnivoren – wie der Katze oder dem Frettchen, die auf tierische Proteine angewiesen sind – und fakultativen Carnivoren, die sich sowohl von tierischer als auch pflanzlicher Nahrung ernähren.
Hier kommen der Haushund ins Spiel: Er zählt zu den Carni-Omnivoren. Das bedeutet, dass er zwar eine Vorliebe für tierische Nahrung hat, aber auch pflanzliche Bestandteile in der Ernährung problemlos verdauen kann.

Carnivora ≠ Carnivore

Carnivora ≠ Carnivore. Vertreter der Ordnung Carnivora sind nicht zwangsläufig Fleischfresser. Ein anschauliches Beispiel ist der Panda. Trotz seiner Zugehörigkeit zur Ordnung Carnivora ernährt er sich fast ausschließlich von Bambus. Auch andere Bärenarten, wie der Braunbär, zeigen oft einen omnivoren Ernährungsstil und nehmen neben Fleisch auch pflanzliche Nahrung zu sich. Diese Vielfalt in der Ernährung unterstreicht, dass nicht alle Vertreter der Carnivora strikt auf das Jagen und Fressen von Beutetieren angewiesen sind.
Du solltest also nicht automatisch davon ausgehen, dass Hunde, nur weil sie zur Ordnung der Carnivora zählen, auch reine Fleischfresser im Ernährungsstil sein müssen.

Die Debatte: Fleischfresser oder Allesfresser?

Die Frage, ob Hunde Fleischfresser oder Allesfresser sind, wird oft heftig diskutiert. Viele Hundebesitzer orientieren sich an dem Vorbild des Wolfes, der in freier Wildbahn vor allem tierische Kost zu sich nimmt. Doch Du musst wissen:
Die Ansprüche der Natur an einen Wolf sind ganz anders als an einen domestizierten Haushund. Wölfe haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von 5-6 Jahren und ihre biologische Hauptaufgabe besteht darin, ihre Gene weiterzugeben. Hunde hingegen leben in einem geschützten Umfeld und haben sich im Laufe der Domestikation an eine breitere und vielfältigere Ernährung angepasst. Wenn du also möchtest, dass dein Hund ein langes und möglichst gesundes Leben führt, dann solltest du auf eine ausgewogene Ernährung achten.

Sind Hunde Fleischfresser oder Allesfresser? – Die Rolle der Domestikation

Während der Domestikation haben sich Hunde genetisch und physiologisch verändert. Studien zeigen, dass Hunde enzymatische Anpassungen entwickelt haben, die ihnen eine bessere Verwertung von Kohlenhydraten ermöglichen – ein Merkmal, das bei strikten Fleischfressern kaum zu finden ist.
Diese Anpassung erklärt, warum Hunde, die in menschlicher Obhut leben, oft eine Mischung aus tierischen und pflanzlichen Bestandteilen zu sich nehmen können, ohne dass ihre Gesundheit leidet.

Auch wenn Hunde morphologisch als Raubtiere klassifiziert werden, sprechen genetische und ernährungsphysiologische Anpassungen dafür, dass sie zu Omnivoren zählen, der sich vorwiegend von tierischer Nahrung ernährt = Carni-Omnivor.

Wissenschaftliche Studien zu wildlebenden Hunden

Doch was sagt die Wissenschaft dazu? Sind Hunde Fleischfresser oder Allesfresser?
Um die Ernährungsgewohnheiten von Hunden besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Forschung. Sehr spannend sind verschiedene Studien die, die Zusammensetzung der Nahrung von freilebenden Hunden in unterschiedlichen Regionen analysiert haben:

Wildlebende Hunde in Zimbabwe

In Zimbabwe wurde untersucht, was Hunde in ländlichen Gebieten fressen. Die Ergebnisse zeigten, dass:

  • Knapp ein Viertel der Nahrung aus menschlichen Fäkalien bestand.
  • Ein weiteres Viertel setzte sich aus menschlich zugeführtem Getreidebrei (Sadza) sowie selbst gefundenen Früchten zusammen.
  • Etwa die Hälfte der Nahrung stammte aus Aas – vorwiegend Karkassen von Nutztieren, bei denen die verwertbaren Teile bereits entfernt waren.
    Gelegentlich standen selbst erlegte Tiere auf den Speiseplan, doch der Anteil an aktiv erjagtem Fleisch war insgesamt sehr gering.

Freilebende Hunde in Zentralindien

Eine weitere Studie aus Zentralindien zeigte, dass wildlebende Hunde dort nur 11% der Futtermenge selbst erjagen. Der Großteil ihrer Nahrung stammt aus:

  • Ernte-Abfallprodukten,
  • Müll,
  • Aas von Nutztieren.
    Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass der Zugang zu reiner Fleischbeute in der Natur oft eingeschränkt ist und Hunde daher auf eine breitere Palette an Nahrungsquellen angewiesen sind.

Beobachtungen in Polen

In Polen wurden freilebende Hunde während der Sommerzeit beobachtet. Hier ergaben sich interessante Ergebnisse:

  • Der pflanzliche Anteil in der Nahrung lag bei 46%.
  • Nur 15% der Nahrung stammten von Säugetieren – wobei davon 9,5% auf kleine Beutetiere wie Ratten und Spitzmäuse entfielen.
  • Eine Studie von Krauze-Gryz & Gryz (2014) führte sogar einen Anteil von 30% an nicht eindeutig identifizierbaren organischen Stoffen auf, wovon nur etwa die Hälfte, also knapp 15%, tierischen Ursprungs gewesen sein könnte.
    Diese Daten deuten darauf hin, dass der tierische Anteil in der Nahrung von Hunden deutlich geringer ist als bei anderen, eindeutig als Allesfresser geltenden Tieren wie Füchsen.

Diese Studien vermitteln ein interessantes Bild, über die Ernährung freilebender Hunde, sie sind jedoch nicht direkt auf die Bedürfnisse unserer Haustiere übertragbar. Freilebende Hunde sind gezwungen, unter erschwerten Bedingungen ihr Futter zu suchen, wodurch sie ein breites Spektrum an Nahrungsquellen aufnehmen – von Aas bis hin zu menschlichen Abfällen. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese Nahrungsaufnahme vor allem auf das Überleben ausgerichtet ist und nicht darauf, langfristig eine gesunde Nahrungsbilanz zu gewährleisten. Die Lebenserwartung dieser Hunde ist deshalb auch deutlich kürzer als die ihrer domestizierten Artgenossen, denen wir möglichst eine ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährung zur Verfügung stellen.

Doch gerade diese Beobachtungen helfen uns, die vielseitige Anpassungsfähigkeit der Hunde an ihre Umgebung zu verstehen. Die Herkunft und Lebensweise freilebender Hunde machen deutlich, dass Hunde keine reinen Fleischfresser sind, sondern von ihrer Natur aus als flexible Allesfresser betrachtet werden können.

Morphologie und Verdauung – Was sagt die Anatomie? Sind Hunde Fleischfresser oder Allesfresser?

Wenn Du nun genauer hinschaust, stellst Du fest, dass Hunde zwar über ein Gebiss und einen Verdauungstrakt verfügen, die typisch für Fleischfresser sind – jedoch gibt es entscheidende Unterschiede:

Das Gebiss

Hunde besitzen ein scharfes Gebiss mit spitzen Eckzähnen, das ideal dafür geeignet ist, Fleisch zu zerreißen. Doch im Vergleich zu obligaten Fleischfressern wie Katzen fehlt ihnen die spezialisierte Zahnstruktur, die für das Zerkleinern von rohem Fleisch unabdingbar ist.
Hunde haben ein universelleres Gebiss, das sowohl für das Zerteilen von Fleisch als auch für das Mahlen pflanzlicher Bestandteile geeignet ist – eine Anpassung, die sich im Laufe der Domestikation entwickelt hat.
Das bedeutet: Obwohl Hunde auf Fleisch angepasst sind, fehlt ihnen die Extreme Spezialisierung, die man bei echten Fleischfressern findet.

Der Verdauungstrakt

Der Darm von Hunden ist relativ kurz und einfach strukturiert – ein typisches Merkmal der Carnivora. Doch gleichzeitig haben Hunde Enzyme entwickelt, die es ihnen ermöglichen, auch pflanzliche Nahrungsbestandteile zu verdauen. Diese Fähigkeit ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass Hunde in ihrer natürlichen Umgebung (s.o.)  oft auf eine abwechslungsreiche Ernährung angewiesen sind. Die kurze Darmstruktur weist darauf hin, dass tierische Proteine und Fette optimal verarbeitet werden – ein Erbe ihrer Raubtier-Vorfahren.

Domestikation und genetische Anpassungen

Während der langen Domestikationsgeschichte hat sich der Hund stark verändert. Die Anpassungen, die er während dieser Zeit durchlief, betreffen nicht nur sein Verhalten, sondern auch seine Verdauung. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Hunde zusätzliche Gene entwickelt haben, die eine verbesserte Fähigkeit zur Verwertung von Kohlenhydraten ermöglichen – etwas, das bei ihrem wilden Vorfahren, dem Wolf, nicht in diesem Ausmaß vorhanden ist.

Genetische Anpassungen

  • Amylase-Aktivität: Hunde haben im Vergleich zu Wölfen eine erhöhte Aktivität des Enzyms Amylase, das für den Abbau von Stärke aus pflanzlichen Quellen zuständig ist. Dies macht es ihnen möglich, auch Getreide und andere kohlenhydratreiche Nahrungsmittel besser zu verdauen.
  • Flexible Ernährungsweise: Diese genetischen Veränderungen haben dazu geführt, dass Hunde zu echten fakultativen Carnivoren geworden sind. Sie bevorzugen zwar tierische Proteine, können aber problemlos pflanzliche Bestandteile in ihre Ernährung integrieren.

Diese Erkenntnisse unterstreichen, dass Du bei der Fütterung Deines Hundes nicht ausschließlich auf Fleisch setzen musst. Eine ausgewogene Ernährung, die sowohl tierische als auch pflanzliche Komponenten enthält, entspricht dem natürlichen Bedarf des Hundes.

Vergleich: Hunde, Waschbären und Füchse

Um die Einordnung der Hunde besser zu verstehen, lohnt sich ein Vergleich mit anderen Tieren aus der gleichen Ordnung:

Waschbären

Waschbären sind Allesfresser und ihre Nahrung setzt sich folgendermaßen zusammen:

  • 40% Wirbellose
  • 33% pflanzliche Nahrung
  • 27% Wirbeltiere

Der Zoologe Samuel I. Zeveloff bezeichnet den Waschbären als einen der „omnivorsten Tiere der Welt“. Das zeigt, dass selbst Tiere, die morphologisch als Carnivora klassifiziert werden, eine extrem breite und flexible Ernährung haben können.

Füchse

Füchse, insbesondere der Rotfuchs, gehören zur gleichen Familie wie Hunde (Canidae) und werden eindeutig als Allesfresser (Omnivoren) eingestuft. Je nach Umweltbedingungen variiert ihr Speiseplan stark – von kleinen Säugetieren über Insekten bis hin zu pflanzlichen Nahrungsbestandteilen.
Daten aus Studien (Harris & Baker 2001; Cavallini & Volpi 1996) zeigen, dass der tierische Anteil der Nahrung bei Füchsen zwischen 58% und 73% liegt – ein deutlich höherer Wert als bei freilebenden Hunden, bei denen er zwischen 24% und 53% liegt.

Wenn wir Füchse als klassische Allesfresser betrachten, gibt es keinen zwingenden Grund, Hunde nicht in dieselbe Kategorie einzuordnen – insbesondere, wenn man bedenkt, dass auch Hunde durch ihre Domestikation und Umweltanpassungen einen deutlich breiteren Speiseplan entwickelt haben.

Sind Hunde Fleischfresser oder Allesfresser? – Praxis-Tipps für eine ausgewogene Ernährung

Was bedeutet all das für Dich als Hundehalter*in? Die Forschung und die zahlreichen Studien zeigen, dass Hunde als flexible Allesfresser einzuordnen sind, die von einer abwechslungsreichen Ernährung profitieren.

Die richtige Balance finden

Beim Füttern Deines Hundes solltest Du daher auf eine ausgewogene Ernährung achten, die folgende Punkte berücksichtigt:

  • Hochwertige tierische Proteine: Diese bilden die Basis der Ernährung und liefern essentielle Aminosäuren.
  • Pflanzliche Bestandteile: Gemüse, Obst und Getreide liefern wichtige Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe.
  • Fette und Kohlenhydrate: Eine moderate Menge an gesunden Fetten und Kohlenhydraten unterstützt die Energieversorgung und die Gesundheit des Hundes.

Viele Expert*innen raten zu einer ausgewogenen Mischfütterung, bei der sowohl Fleisch, als auch pflanzliche Bestandteile auf dem Speiseplan deines Hundes stehen sollten. Letztlich ist es wichtig, die individuellen Bedürfnisse deines Hundes zu berücksichtigen – Alter, Aktivitätslevel und Gesundheitszustand spielen dabei eine zentrale Rolle, aber auch die Herkunft deines Hundes.

Zusammenfassend lässt sich sagen:
Hunde sind keine reinen Fleischfresser.

Auch wenn sie zur Ordnung der Carnivora (Raubtiere) gehören und einige ihrer morphologischen Merkmale an die Ernährungsform der Carnivoren (Fleischfresser) erinnern, zeigen wissenschaftliche Studien und genetische Analysen, dass Hunde in ihrer Ernährung flexibel und anpassungsfähig sind. Die Tatsache, dass Hunde in verschiedenen Regionen der Welt sowohl tierische als auch pflanzliche Nahrung zu sich nehmen, bestätigt, dass sie zu den fakultativen Carnivoren bzw. Omnivoren zählen.

Für Dich als Hundebesitzer bedeutet das:
Achte auf eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung, die sowohl hochwertige tierische Proteine als auch wertvolle pflanzliche Bestandteile enthält. So stellst Du sicher, dass dein Hund alle Nährstoffe bekommt, die er für ein langes und möglichst gesundes Leben benötigt.

Ich hoffe, dieser Beitrag hat Dir einen umfassenden Einblick in die komplexe Thematik der Hundeernährung gegeben. Wenn Du weitere Fragen hast oder mehr über das Thema erfahren möchtest, schau Dich gerne weiter auf meinem Blog um.

Quellen:

  • Wikipedia: Fleischfresser
  • Butler & Du Toit (2002), Studie zu freilebenden Hunden in Zimbabwe
  • Vanak & Gompper (2009), Daten aus Zentralindien
  • Krauze-Gryz & Gryz (2014), Beobachtungen in Polen
  • Harris, S. & Baker, P. (2001), „Urban Foxes“
  • Cavallini & Volpi (1996), Studien zu Füchsen
  • Butler, J. R. A., & Du Toit, J. T. (2002, February). Diet of free-ranging domestic dogs (Canis familiaris) in rural Zimbabwe: implications for wild scavengers on the periphery of wildlife reserves. In Animal Conservation forum (Vol. 5, No. 1, pp. 29-37). Cambridge University Press.
  • Baker, P., & Harris, S. (2001). Urban foxes. Suffolk: Whittet Books.
  • Cavallini, P., & Volpi, T. (1996). Variation in the diet of the red fox in a Mediterranean area. Revue d’écologie.
  • Krauze-Gryz, D., & Gryz, J. (2014). Free-ranging domestic dogs (Canis familiaris) in Central Poland: density, penetration range and diet composition. Polish Journal of Ecology62(1), 183-194.
  • Vanak, A. T., & Gompper, M. E. (2009). Dietary niche separation between sympatric free-ranging domestic dogs and Indian foxes in central India. Journal of Mammalogy, 90(5), 1058-1065.